Theodor II. Carl Gustav Nietner (1822 - 1894)
Oberhofgärtner
Theodor II. Carl Gustav Nietner
(Familienbesitz)
Joh. Justus Sello
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Anna Catharina Sello oo Joh. Joseph Nietner
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Christian Wilhelm N.
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Bertha Sello oo Theodor I. Eduard N.
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Theodor II. Carl Gustav N.
Theodor II. Nietner und sein Onkel
Emil Sello waren die letzten beiden bedeutenden Hofgärtner der Lenné-Ära. Nietners umfassende Kenntnisse als Gärtner und seine langjährigen Erfahrungen als Hofgärtner in verschiedenen Revieren fanden ihren Niederschlag in zahlreichen Veröffentlichungen in Zeitschriften und Büchern.
Theodor Nietner wurde am 7. September 1823 in Sanssouci geboren. Sein Vater
Theodor I. Eduard Nietner wirkte zu dem Zeitpunkt seit etwa einem Jahr als Hofgärtner in Paretz. Seine Mutter
Charlotte Louise Albertine gen. Bertha war eine Schwester von Hermann und Emil Sello. Theodor II. war also der Spross zweier bedeutender Gärtnerdynastien.
Theodors Geschwister Louis, Johannes, Pauline und Paul kamen in Paretz zur Welt und verlebten dort ihre frühe Kindheit. Friedrich Wilhelm III. nutzte das Gut immer noch als Rückzugsort, auch andere Mitglieder der königlichen Familie kamen zu Besuch.
1832 wurde Theodor I. Nietner auf die Hofgärtnerstelle in Niederschönhausen berufen, wo schon sein Großvater
Johann Joseph Nietner als "Plantör" der Königin Elisabeth, der Gemahlin Friedrichs II., gewirkt hatte. Auch sein Vater
Christian Wilhelm Nietner war viele Jahre lang Hofgärtner in Niederschönhausen.
Theodor Nietner ging bei seinem Onkel Hermann Sello in die Lehre und besuchte als Hospitant die Gärtnerlehranstalt. Peter J. Lenné, Hermann Sello freundschaftlich verbunden, förderte den jungen Gärtner. Nach Ableistung seines Militärdienstes hörte er naturwissenschaftliche Vorlesungen an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Unter Karl Bouché war er Gehilfe im Botanischen Garten in Berlin, 1847 bestand er die Obergehilfenprüfung. Ehe er seine Bildungsreise antreten konnte, musste er am Dänischen Krieg teilnehmen.
Danach führte ihn die Reise in europäische Mustergärtnereien. Nach einem Aufenthalt in Lüttich bei Makoy arbeitete er anderthalb Jahre in der Handelsgärtnerei van Houtte in Gent. In einem ausführlichen Zeugnis wird auf seine respektable Herkunft als Sohn eines königlichen Hofgärtners hingewiesen. Beinahe wäre auch er in die Tropen gegangen wie seine Brüder Johannes und Louis, im Auftrage Louis van Houttens, aber daraus ist nichts geworden.
Stattdessen ging er 1850 nach London und lernte die wichtigsten öffentlichen und privaten Gärten dort und in der Umgebung kennen. In der "Clapton Nursery", einer Baumschule, sammelte er theoretische und praktische Kenntnisse. - Wegen einer erneuten Mobilmachung musste er Ende 1850 nach Preußen zurückkehren.
Anschließend übernahm er die Leitung der Meierei-Baumschule, hier experimentierte er zusammen mit Lenné u.a. auf den Gebieten der Veredelung besonderer Gehölze. Dann verwaltete er einen Teil der Landesbaumschule am Neuen Palais.
Am 26.06.1854 verheiratete er sich mit
Dorothea Susanna gen. Susette Burghalter, einer Tochter des Brauereibesitzers Gustav Adolf Burghalter. Der Sohn Johannes wurde am 02.08.1855 geboren, der Sohn Kurt, der ebenfalls Hofgärtner wurde, am 26.05.1859.
Während seiner Tätigkeit als Obergehilfe im Neuen Garten bewohnte er mit seiner Familie das "Grüne Haus". 1861 wurde er in besonderer Mission nach Koblenz geschickt, wegen Schaffung der Rheinanlagen.
1865 berief man ihn als Hofgärtner für das Revier Orangerieanlagen und Pfingstberg. Dann wurde er nach Charlottenhof versetzt und bekam 1869 die dortige Hofgärtnerstelle. Die Familie bewohnte das Gärtnerhaus der "Römischen Bäder", wie vor ihm u. a. sein Onkel Hermann Sello und nach ihm sein Onkel Emil Sello.
Den in die Jahre gekommenen Rosengarten in Charlottenhof konnte Theodor II. Nietner nicht retten, obwohl er mehr und mehr zum Rosenfachmann wurde.
Von 1878 bis zu seiner Pensionierung 1893 wirkte er schließlich als Hofgärtner im Neuen Garten, außerdem war er verantwortlich für den Stadtbereich Potsdam; wieder bewohnte die Familie das Grüne Haus am Ufer des Heiligen Sees. Einen berühmten Rosengarten legte er 1879 auf Anregung von Gartendirektor Jühlke an der Orangerie im Neuen Garten an. - In einem Glückwunschschreiben zu seinem 50. Dienstjubiläum heißt es:
"Im Jahre 1878 mit der Verwaltung des Neuen Gartens betraut, genoss er hier die große Auszeichnung, vor den Augen Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestät seine umsichtige Tätigkeit zu entfalten und sich die allerhöchste Zufriedenheit in reichstem Maße zu erwerben."
Nebenberuflich entwarf Theodor Nietner eine Reihe von Privatgärten, z. B den Gutspark Gütergotz (heute: Güterfelde) für den Bankier Gerson v. Bleichröder, den "reichsten Mann von Berlin". Die Familie Bleichröder besaß übrigens ein Sommerhaus mit Park in Pankow, das von Bleichröders Bruder Julius genutzt wurde. Möglicherweise kannte man sich von daher.
In Gütergotz führte Nietner "mannigfaltigste und vielseitigste Verschönerungen" durch, neue Park- und Gartenanlagen, eine Orangerie, natürlich ein Rosengarten und Glashäuser entstanden unter seiner Leitung. - Für Paul Schwabach, Teilhaber des Bankhauses Bleichröder, entwarf Theodor Nietner den sog. Schlosspark von Kerzendorf. Bleichröder und Schwabach waren nicht die einzigen, die sich in den Jahren nach 1871 luxuriöse Sommersitze mit großartigen Parks nahe Berlin anlegen ließen. Nietner entwarf u.a. auch einen Hausgarten für Max Saberski in Teltow-Seehof.
Pläne Nietners und auch fremde Pläne sind veröffentlicht im
Gärtnerischen Skizzenbuch, das Nietner 1878 bis 1882 zusammen mit Fachgenossen herausgab.
Rosengarten im Neuen Garten
Aus Theodor Nietners
Silberhochzeitsalbum
(Familienbesitz)
Ein mehr praktischer Begleiter in Fragen der Gartenplanung und Gartengestaltung war
Schmidlin's Gartenbuch, das Nietner zusammen mit Theodor Rümpler 1877 in der 4. Auflage herausgab.
Widmung des Rosenbuches
(Familienbesitz)
Sein Hauptwerk aber ist das "größte Rosenbuch des 19. Jahrhunderts":
Die Rose, ihre Geschichte, Arten, Kultur und Verwendung, erschienen in Berlin 1880. Es war nicht nur ein nützliches Handbuch, wie ein Rezensent schrieb, sondern auch "ein elegantes Werk für den Salontisch". Farbige Tafeln zeigen die schönsten Rosen aus Nietners Garten. Seine Enkelin Elisabeth Weber erinnert sich, wie die Malerin Maria Endell zu Nietners ins Haus kam, um die Rosen zu malen. Staunend sah das Kind, wie "die lebenden frischen Rosen in gemalten Bildern auf der Staffelei entstanden". - Theodor Nietner widmete dieses Buch der Kronprinzessin Victoria, die ja eine große Garten- und Rosenfreundin war.
Theodor Nietner starb bald nach seiner Pensionierung am 13.10.1894. Er wurde auf dem Sello-Friedhof begraben. Seine Frau Susette wurde fast hundert Jahre alt, sie starb am 07.03.1930 und wurde ebenfalls in Bornstedt begraben.
Literatur:
- Grimme, Karin H. (Hrsg.), Aus Widersprüchen zusammengesetzt. Das Tagebuch der Gertrud Bleichröder aus dem Jahr 1888, © Stiftung Jüdisches Museum Berlin, 2002
- Langfeld, Gisela, Die Hofgärtnerfamilie Nietner. In: Der Herold 16, Nr. 4, S. 77 ff.
- Preußisch Grün, Katalogteil
- Sammlung Duncker/Gütergotz. In: www.zlb.de
- Seiler, Michael, in: Nichts gedeiht ohne Pflege, Katalog Potsdam 2001, S.304 ff.
- Stern, Fritz, Gold und Eisen, Bismarck und sein Bankier Bleichröder, 1. Auflage der Neuausgabe, München 2008, S.243 ff.
- Wimmer, C.A., Die Tätigkeiten der Hofgärtner. In: Preußisch Grün, Katalog, Potsdam 2004
- Wimmer u. a., Hofgärtnerverzeichnis. In: Preußisch Grün, s.o.
- www.guetergotz-kultur-landschaft.de
- Ergänzung der genealogischen Angaben nach Kirchenbüchern Potsdam, Garnisonkirche sowie Paretz: Martina Rohde und Krafft A. Eggert, 2008
Elisabeth Weber geb. Nietner erinnert sich an ihren Großvater Theodor Nietner:
"Großpapa lebt in meinem Gedächtnis wie der Großvater in einem altmodischen Bilderbuch, groß, hager, mit freundlich blickenden braunen Augen und einem langen weißen Bart, der den Mund fast verdeckte. Er hatte ein Herz für Kinder, Spaß und Schnurren im Kopf, und wenn ich auf seinen Knien saß, konnte er die schönsten Geschichten erfinden und erzählen. Auf seinem grünen Liegesofa, das er "die grüne Wiese" nannte, durfte ich herumtollen.
Ich glaube fast, dass meine Vorliebe für die grüne Farbe schon daher stammt. Ich begleitete Großpapa auf seinen Gängen durch den Neuen Garten, war stolz, dass ich über die schönen Rasenflächen laufen durfte, - als seine Enkelin - was sonst verboten war, mit ihm zu dem kleinen rosafarbenen Marmorpalais gehen konnte, dessen Säulen sich im Heiligen See spiegelten, und davor war der Rosengarten, dem Großpapas besondere Liebe und Pflege galt. Manch schöner Strauß stand auf der kronprinzlichen Tafel; denn er hatte auch für die Tischdekoration im Palais zu sorgen, das der spätere letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. als Kronprinz mit seiner Gattin Auguste Viktoria und sechs Söhnen und einer Tochter bewohnte.
So wanderten wir auch durch die dunklen, tannenumstandenen Wege, zu den Beeten der kleinen Prinzen, die Großpapa für jeden hatte anlegen lassen. Alle waren buchsbaumumrandet und trugen in schmalen Buchsbaumlinien jeweils die Anfangsbuchstaben der Namen ihrer Besitzer. Auch damit trieb Großpapa seinen Spaß: Gar zu ungeduldig wurde der älteste Prinz, weil die selbstgesäten Radieschen so langsam wuchsen; da waren plötzlich über Nacht ganz große erstanden - Großpapa hatte sie heimlich einpflanzen lassen. So gewann er die Liebe der Kinder. Ich besitze noch einen schwarzen Kalikoumschlag mit bunten Stammbuchblumen beklebt - das innere Büchlein ging verloren. Darauf stand vom Prinzen Wilhelm [1882-1951] mit Kinderhand geschrieben: "Meinem lieben Herrn Nietner" und Unterschrift. Dieser Prinz, ein paar Jahre älter als ich, fuhr mich im Wägelchen spazieren. Die Kronprinzessin [die spätere Kaiserin Friedrich] sah ich auch in der Hofgärtnerei.
Sie besuchte zuweilen meine Großmutter und war natürlich, freundlich und ohne jede
höfische Konvention. Es ging auch ohne den Hofknicks, den Tante Emilie, die jüngste
unverheiratete Schwester von Großmama, mir beibringen wollte, wogegen ich mich wehrte. "
Quelle:
Weber, Elisabeth, Meine Großeltern Nietner; unveröffentlichtes Manuskript.
Elisabeth Nietner wurde 1885 in Potsdam geboren, ihr Vater war Johannes Nietner, der älteste Sohn von Theodor II. Nietner.
SE, Aug 2008
Theodor Nietner mit
seiner Enkelin Elisabeth
(Privatbesitz)
Maria Endell, Polyantha - eine Rose
aus Theodor Nietners Rosengarten
(Privatbesitz)
Rosengarten im Neuen Garten, ab 1878 von Theodor Nietner angelegt
Aus Theodor Nietners Silberhochzeitsalbum
(Familienbesitz)