Marie Persius, Scherenschnittportrait, 1850
(Familienbesitz)
Am 03.05.1834 wurde dem Architekten Friedrich Ludwig Persius und seiner Ehefrau Charlotte Thusnelde Pauline Persius geb. Sello als drittes Kind die zweite Tochter Marie geboren. Die Familie wohnte zu dem Zeitpunkt wohl nicht mehr im Zentrum der Stadt Potsdam Am alten Markt 12, dem Haus des bereits verstorbenen Großvaters der Marie, das quasi vis a vis dem Fortunator des Stadtschlosses stand, sondern in einem Mietshaus in der Friedrichgasse, (später Friedrichstraße heute Posthofstraße in der Nähe des Berliner Tores). Die Geburt fiel einerseits in den Zeitraum beginnender beruflicher Selbständigkeit des Vaters, andererseits aber in eine Zeit beengter Wohnverhältnisse und eines schmalen Einkommens. Ihr Vater benötigte in der Wohnung auch ein ausreichendes Arbeitszimmer, um die ihm sowohl von seinem Lehrmeister Karl-Friedrich Schinkel übertragenen vielfältigen Potsdamprojekte zu erledigen, als auch die ersten Aufträge des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, ab 1840 als Friedrich Wilhelm IV König von Preußen, zügig erfüllen zu können.
Nachdem alsbald Marie zwei weitere Geschwister erhielt, somit im Kinderzimmer 5 Kinder schliefen und spielten, wurde das Problem ausreichenden Wohnraumes immer drängender. Nachdem dem Vater eine Gehaltserhöhung vom König für die Bauleitungstätigkeit an der Nicolaikirche abgelehnt war, bzw. er mit einem Versprechen auf eine Remuneration (Honorarzahlung nach Fertigstellung einer Leistung, in diesem Falle der Bau der Nicolaikirche in Potsdam) vertröstet wurde, wandte er sich nach Familienbericht sowohl an seine Schwiegermutter Johanne Dorothea Charlotte Anger als auch an einige sehr einflussreiche Personen der preußischen Verwaltung, die ihm äußerst gute Zeugnisse ausstellten. So wurde ihm der Bau eines eigenen Hauses mittels staatlicher und familiärer Zuwendungen ermöglicht.
Seine Schwiegermutter bezahlte der jungen Familie das Baugrundstück an der Chaussee nach Bornstedt gelegen, heute an der Ecke Hegelalle zur Schopenhauerstrasse und ein königlicher Baufond zahlte die Baukosten, und glich auch die Remuneration aus. So konnte der Vater sein Wohnhaus, die Villa Persius bauen. In einem Brief vom 5. Dez. 1837 an den befreundeten Prof. Zelle, Berlin, schreibt der Vater: "...wir sind gezogen."
Somit begann zum Weihnachtsfest 1837 für die große Kinderschar wie auch die sicherlich glücklichen Eltern der schönste Lebensabschnitt der Familie. Der Vater mit vielen, zeitweise zu vielen Entwurfs- und Bauprojekten beauftragt, führte ein großes gastfreundliches Haus, wie wir aus vielen Berichten wissen. Ein Garten und die unmittelbare Nähe zum Schlosspark Sanssouci werden sicherlich dazu beigetragen haben, dass die Kinderschar fröhliche und sorgenfreie Jahre erleben durfte. Diese Zeit förderte sicherlich die großen Begabungen der Geschwisterschar, die sich später zeigen sollten.
Der allzu frühe plötzliche Tod des Vaters am 12.Juli 1845 wird sicherlich für die Witwe und die unmündige Kinderschar eine schwierig zu meisternde Zeit gewesen sein. Die Großzügigkeit des Königs, er kaufte für 14.000 Taler, damals ein kleines Vermögen, der Witwe das Haus ab und gab ihr lebenslanges Wohnrecht in einem Gärtnerhaus an der Maulbeerallee in Nachbarschaft zum Hofgärtnerhaus ihres Bruders Hermann Sello. Dieser und seine Frau Aline haben nach Familienberichten sowohl mit finanziellen Mitteln, als auch Erzeugnissen des eigenen großen Gartens vielfach geholfen.
Das in die Jugendzeit hineinwachsende Mädchen Marie hatte damals begonnen zu zeichnen.
Sie nahm sich das Skizzenbuch ihres Vaters vor und zeichnete nach diesem Rheinlandschaften und Rheinburgen und datierte und signierte ihre Zeichnungen.
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Datierte und signierte Zeichnung von Marie Persius
(Familienbesitz)
Datierte und signierte Zeichnung von Marie Persius
(Familienbesitz)
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Signatur der Marie Persius
(Familienbesitz)
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Einige der Zeichnungen sind erhalten, woraus wir heute entnehmen können, dass das junge Mädchen mit 14 Jahren ein außerordentliches zeichnerisches Talent entwickelte, sicherlich von ihrem Vater ererbt. Wir wissen aus Tagebucheintragungen ihres Vaters, dass er 2-fach Dienstreisen von Frankfurt/Main nach Trier und Köln unternahm und auch den Auftrag hatte, die Burg Stolzenfels zu besuchen. Sein Skizzenbuch ist im II. Weltkrieg verloren gegangen, einige der Zeichnungen seiner Tochter Marie sind uns erhalten geblieben. |
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Familienfriedhof in Bornstedt ca. 1970. Der kniende Engel auf quaderförmigem Sockel befand sich auf dem Grab von Marie Persius.
(Familienbesitz)
Es wird für Mutter und Geschwister schwer gewesen sein, den Tod der Marie am 06. Mai 1857, drei Tage nach ihrem 23. Geburtstag hinnehmen zu müssen. Mariechen war zuvor in Magdeburg, um ihre Schwester Elise nach der Geburt ihres zweiten Kindes zu pflegen. Die Tragik des Geschehens schildert Ihre Cousine, Louise Schnee, in einem erhaltenen Brief v. 4. Mai 1857 an Constanze Storm, die Ehefrau des Schriftstellers Theodor Storm: "Am Dienstag vor Ostern kam Mariechen ganz gesund und munter zurück und denke Dir, nun liegt sie seit dem ersten Osterfeiertage an Nervenfieber oder Typhus; es ist auch keine Aussicht auf Besserung."
Marie Persius wurde in Nachbarschaft ihres Vaters auf dem Selloschen Familienfriedhof in Bornstedt beerdigt. Ihr wurde ein Grabmal gewidmet, das mehr als einhundert Jahre auf alle Besucher dieses selten schönen Friedhofes sicherlich einen besonders nachhaltigen Eindruck machte: Ein kniender Engel auf klassisch profiliertem quaderförmigem Sockel.
Das Schicksal wollte es wohl, dass das Denkmal dieser jungen, gerade aufblühenden Frau viele Jahre nach ihrem Tode durch Grabräuber im Jahre 1988 geschändet wurde, indem ihr Engel entwendet wurde.
KAE, Jan 2007
Quellen:
- Marie Pauline Thorbecke geb. Berthold; Familienerinnerungen an Ludwig Persius, Selloarchiv in Hofgärtnerarchiv Schloss Glienike, Berlin;
- Dr. Gerda Hübschmann; unveröffentliches Script zum Wohnhaus des F.L.Persius, im Besitz des Verfassers
- E. Börsch-Supan, Herausgeberin; Bautagebuch von Friedrich Ludwig Persius, Translation und Anmerkungen;
- Louise Schnee an Constanze Storm; Brief v. 4.5.1857, (Eigentum der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel, Storm-Archiv); den Hinweis auf diesen Brief gab Sybille Eggert. Louise Schnee ist eine Cousine von Marie Persius.
Bildnachweis:
- Zeichnungen der Marie Persius, Selloarchiv Schloss Glienicke, Stiftung
des Verfassers anno 2006
- Foto zu Sellofriedhof, Bornstedt: Klaus Aretin Eggert, ca. 1975
- Scherenschnittprofil der Marie Persius, gefertigt 1850 von Marie Helmholtz, Rahmung 1887 Louise Schnee, Privatbesitz
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