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Hofgärtner Hermann Sello


Potsdam
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Auf steinigem Grund

Romanische Kirche auf dem Petersberg bei Halle/Saale
Romanische Kirche auf dem Petersberg bei Halle/Saale
(Krafft-Aretin Eggert, 2011)
"S.M [Seine Majestät] befehlen dass ich zur Zeit der Reise nach Russland nach Erfurt Halle, Chorin u Lenin gehen solle um Vorschläge über die Herstell. Dieser Kirchen zu machen. Ich bemerke dass die Peters K. bei Halle mich vorzugsweise intereßire, da meine Vorfahren dort Pastores gewesen..." So schreibt am 28. Mai 1842 der preußische Baurat Friedrich Ludwig Persius (1803-1845) in sein Tagebuch1. Die hier erwähnten "Pastores" sind seine Ahnen aus der Altmark, insbesondere der Großvater Christian Friedrich Jakob Persius geb. in Flechtingen (Sachsen-Anhalt) am 09.04.1707 und verstorben in Teicha bei Halle a.d.Saale. Er erhielt dort am 26.11.1745 die Pfarrstelle. Am 14.07.1737 war er in der Nikolaikirche in Wettin, Saalekreis, als Pastor dieser Gemeinde und als Rektor der zugehörigen Schule, der Maria Regina Koch angetraut worden. Im Jahr zuvor hatte er in Wettin, seine erste Pfarrstelle angetreten und offensichtlich bald in die Ortsgemeinschaft hineingefunden, in der sein Schwiegervater Bürgermeister war. Im Kirchenbuch heißt es über diesen und seine Tochter: "Königl. Preußisch. Accis- und Steuer-Controlleur allhier ehl. eintzig Jungfer Tochter"2. Nach zwei Jahren an dieser Pfarrstelle wurde er in die Nachbarstadt Teicha versetzt. Die aus dem Mittelalter stammende ehemalige Klosterkirche St. Peter auf dem nahegelegenen Petersberg gehörte zu seiner Parochie.

Ob dem preußischen Baurat Ludwig Persius - zu Anfang 1845 erhielt er den Titel "Architekt des Königs" und wurde am 07.02.1845 zum Preußischen Ober-Baurat ernannt - im Jahre 1842 bewusst war, dass sein Großvater einer Pfarrerdynastie entsprang, scheint unklar zu sein. Die Vorfahren waren zwar mehrfach Pfarrer, aber keineswegs aus dem engeren Bereich um Halle a.d.S. (Teicha und Wettin). Sie lebten in der Altmark, in Flechtingen. Der ältest erwiesene Persius dieser Familie, ein Johannes, wird am 20.07.1644 in die Universitätsmatrikel der UNI Helmstedt erstmalig eingetragen3. Einige Jahre später, am 25. Juli 1658, schreibt sein Patron Werner Schenk auf Flechtingen, Johannes Persius war seit einigen Jahren dem alt gewordenen Pfarrer Zacharias Schardius4 adjungiert (beigestellt), wie folgt in die Bestallungsurkunde als zukünftiger Pfarrer der Parochie Flechtingen: "...daß Er in diesem seinem Ambt und Beruf Christ- und Treulich erfunden werde, und der christlichen Gemeinde hiesiges Ohrts, nicht allein in Vortragung des Reinen ohnverfälschten woret Gottes und darreichung der heil. Sakramenten, wie es in denen Biblischen Schriften, Altern und Neuen Testaments gegründet, auch in denen bewahrten vier Haupt Symbolis der Augsburger Condfession, dero Apologi uned Catechismo Lutheri widerholet wird, und einem exemplarischem fridfertigem Leben und Wandel Sondern auch mit Vorhaltung, guter disciplin in Kirchen und Schulen, und Verrichtung dessen, was sonsten mehr einem getreuen Pastori, in fleißiger acht zu haben und zu thun gebühret, unserem, zu ihm habenden gutem Vertrauen nach, wohl führstehn."5 Letzt Erwähntes dieser Urkunde wurde hergestellt, denn Johannes Persius war Pastor in Flechtingen bis an sein Lebensende und auch sein jüngster Sohn, Jakob Johann, betreute als nachfolgender Pastor in Flechtingen über die gesamte Länge seines Lebens die evang. lutherische Gemeinde. Das Leben dieser Pastoren darzustellen soll jedoch nicht nur Aufgabe dieses Aufsatzes sein, sondern es soll in den Vordergrund gerückt werden, was schon in der Überschrift steht: "Auf steinigem Grund". Dieser schöne Titel einer vor mehr als 100 Jahren geschriebenen Ortschronik soll dienen, ein wenig vom Leben in Flechtingen nach Beendigung des 30 Jährigen Krieges zu erzählen. Ein altes Sprichwort sagt: "Steine kann man nicht essen"! In der Altmark, einer der Kernlande der Mark Brandenburg, gab es auf dem <Steinigen Grund> nahezu nur noch Steine und Sand und ein wenig Wasser. Wie sehr das Land verwüstet und entvölkert war, steht u.a. im Kirchenbuch der Parochie Flechtingen. Beziehungsweise steht es darinnen dadurch, dass dort nahezu nichts steht. Es ist zu entnehmen, dass sich Nichts ereignete. Noch 1670, also fast eine ganze Generation nach Beendigung des großen Krieges, ist im Kirchenbuch der Patronatskirche Flechtingen lediglich eine Geburt und eine Taufe eingetragen und für mehrere Jahre keine Ehe6. Dahingegen hatten in den Jahren 1618 und 1620 je 30 Taufen und im Jahre 1620 acht Trauungen stattgefunden7. Es finden sich vom Pfarrer Johannes Persius notierte Eintragungen wie: "Anno 1667 den 13. Juni ist Heinrich Gröli, ein Knabe von 9 Jahren auf'm großen Teich aus dem Kahn gefallen und ertrunken", und, "Anno 1684. Die Alte Schapersche in der Kuckucksbreite im Wasser erkältet und todt gefunden worden"8. Der junge Pfarrer Johannes Persius wurde Zacharias Schardius 1646 adjungiert, wozu ihm die Patrone der Parochie, die Gebrüder Werner Schenk auf Flechtingen und Hans Ernst Schenck auf Böddensell und Hasselburg und Mathias Arndt Schenk auf Lemsell, auftrugen: "... soviel die Kanzel betrifft, die ganze Kircharbeit..."9. Nach Krankheit, Sterben und Beerdigung des Pfarrvorgängers trug Johannes Persius ins Kirchenbuch ein: "Anno 1658 den 5ten Jan. zwischen 8 und 9 Uhr ist der ehrwürdige Fürachtbare und wohlgeboren Zacharias Schardius treufleißiger Pfarrherr in Flechtingen seines Alters 82 Jahr, 6 M., 15 tage, seines Predigtamtes 51 Jahr, 7 Mon., 15 tage in dem Herrn sanft entschlafen"10. Am 25. Juli 1658 wurde nunmehr von den zuvor benannten Patronatsherrn der junge Johannes Persius, welcher im Jahre 1629 in Helmstedt11 geboren wurde, wie es auf seinem erhaltenen Grabstein verzeichnet ist, und welcher in Helmstedt und Wittenberg Theologie studierte12, als Pfarrer für die Parochie Flechtingen eingeführt. Es ward dann auch die Zeit gekommen, einen neuen Pfarrhaushalt zu begründen. Am 09.11.1658 führte er Maria Kämmerich heim, des Bürgermeisters von Saltzwedel, Johann Kämmrich, ältestes Kind von Vieren und einzige Tochter13. Das Paar hatte sieben Kinder, drei Söhne und 4 Töchter. Zurück kommend auf den anfangs erwähnten < Steinigen Grund > soll aus seinem Pfarrleben noch Einiges erzählt werden. Er hatte sicherlich Gründe, in den Jahren 1687 und 1688 in mehreren Schreiben unsittliches und zügelloses Treiben von Gemeindemitgliedern zu erwähnen. Der spätere Pfarrkollege Willing beschreibt um 1900 in seiner Chronik die Bemühungen des Pfarrers Johannes Persius, seine 'Schäfchen' wenigstens ein wenig an Ordnung und christlichen Lebenswandel heran zu führen, mit folgenden Worten: "Seine Bemühungen, die Verwirrten und Widerstrebenden zurecht zu weisen, wurden freilich nicht, wie der Visitationsrezeß wünschte, mit Sanftmut angenommen, sondern mit Anfeindungen und Beschimpfungen vergolten"14. Im Gegensatz dazu scheint die Übereinstimmung oder gar das Wohlwollen seiner Patrone groß gewesen zu sein. Seine Pflicht als Gemeindepfarrer war nach dem Sterben des Patrons, des Werner Schenck, am 1. Mai 1667 den sicherlich nur wenige Tage danach erfolgten Aussegnungsgottesdienst zu leiten. Jedoch kam ihm einige Monate danach eine große Ehre zu.

Patronatskirche zu Flechtingen, erbaut um 1580, Innenraum
Patronatskirche zu Flechtingen, erbaut um 1580, Innenraum
(Krafft-Aretin Eggert, 2011)
Patronatskirche zu Flechtingen, Kanzel, um 1580
Patronatskirche zu Flechtingen, Kanzel, um 1580
(Krafft-Aretin Eggert, 2011)
Patronatskirche zu Flechtingen, Epitaph des Werner v. Schenck, gest. 1587
Patronatskirche zu Flechtingen, Epitaph des Werner v. Schenck, gest. 1587
(Krafft-Aretin Eggert, 2011)
Patronatskirche zu Flechtingen, Patronatsempore, um 1580
Patronatskirche zu Flechtingen, Patronatsempore, um 1580
(Krafft-Aretin Eggert, 2011)

Als Tag der Beerdigung ist der 16. Oktober des Jahres angegeben. Sicherlich fand jedoch an diesem Datum lediglich eine weitere Trauerfeier statt. Erst zu diesem Tage werden von Nah und Fern die Mitglieder der Großfamilie in Flechtingen versammelt gewesen sein und haben ihres Verwandten nochmals gedacht. Pfarrer Johann Persius, nicht der Superintendent, oder in der Hierarchie gar noch höher stehender Kirchenmann, war aufgefordert, die Leichenpredigt zu halten. "Bey dem Hochansehnlichen HochAdelichen Leichenbegengnis De Weyland HochEdelgebohrenen Gestrengen und Vesten Herrn Werner Schencken In der Chur Brandenburg Erb-Kämmerern und des Fürstentums halberstadt Erb-Schenken auf Flechtingen, Dönstedt und Donnersleben Erbherrn, auch des Gräfflich Mannsfeldschen Ambtes Leimbach Inhaber"15. So ist der Vorgang wiedergegeben auf der ersten Seite der dann in Helmstedt zu Ende des Jahres 1667 gedruckten Leichenpredigt anlässlich des "Leichenbegegnis" in der Parochialkirche in Flechtingen, sicherlich eines der ganz großen Ereignisse in dieser Region im genannten Jahr.

Pfarrer Johann Persius verrichtete über viele Jahrzehnte seinen Dienst, sah seine Töchter aus dem Hause ziehend eine eigene Familie gründen. Er sandte seine Söhne auf die Universität in Helmstedt zum Studium. Alt und müde geworden schrieb er im Jahre 1699 an seinen Patron, bittend, ihm seinen Sohn Jacobus Johannes als Gehülfen in seinem Amt adjungieren zu wollen. Er führt in dem Schreiben aus: "Weil er nun 70 Jahre erfüllt und 43 Jahre im Predigtamte gearbeitet, so findet er in seiner ganzen Natur eine große und gefährliche Änderung: das Haupt werde blöde, Hände und Füsse fangen an zu zittern, der ganze Leib werde müde, die Augen wurden tunkell, die Müller stehen müßig und wollen nicht mehr mahlen, Eccl. 12." Besonders hindert ihn die "Abnehmung des Gesichts bei der Administration des heiligen Abendmahles"16. Er fügt letztlich nach weiteren Darstellungen seiner Schwäche die Bitte hinzu, man möge ihm seinen Sohn Jacobus Johannes "...als genugsam qualificiertes Subjektum" als Gehülfe in seinem Amt adjungieren und also denn succediren. Das werde "...nicht allein dieser Kirche, sondern auch den hohen Patronen Zeit ihres Lebens, ja auch bei den Nachkommen zum unsterblichen Ruhme gereichen, wenn sie den Vater in dem Sohne und den Sohn im Vater befördern"17. Der Sohn hatte am 19.03.1696 in Helmstedt18 begonnen, Theologie zu studieren und immatrikulierte sich dann 1702 in der UNI Wittenberg19. Der Vater bemüht sich somit recht zeitig, um die Nachfolge seines Sohnes im Amt. Sein Patron wird das gewusst haben und entschied dann am 27. Juni 1704 über die Nachfolge tatsächlich zu Gunsten des Sohnes. Dieser trägt 1706 in das Kirchenbuch ein: "Johannes Persius, Mein Hertzlieber Vater gestorben den 21ten April zwischen 3 und 4 Uhr des Nachmittags". Die Familie stiftet einen Grabstein, der etwas lieblos später in die Friedhofsmauer, diese stützend, eingemauert wurde. Es kann als Symbol betrachtet werden, dass ein zwar wenig geliebter Gemeindehirte, jedoch dauerhaft seine Gemeinde stützt. Der Grabstein enthält die Schriftzüge: "Hier, die Gebeine, des Wohl Ehr Würdigen, und Wohlgelahrten Herrn, Johannis Persii, Past. Flechting., gebohren zu Helmstedt ao. 1629, und gestorben all hie, ao. 1706, seines Alters 77." Nachzutragen ist noch, dass in Helmstedt die Geburt eines Johannes PERSIUS unter diesem Familiennamen nicht nachweisbar ist, obwohl die dortigen erhaltenen Kirchenbücher bis in das letzte Viertel des 16. Jh. zurückreichen. Vielfach verzeichnet sind jedoch Geburten von Familien ähnlichen Namens wie PEERS und PERTZ, auch PERTZIUS im ersten Viertel des 17. Jh. in Helmstedt und umliegenden weiteren Kirchgemeinden, mehrfach mit dem Vornamen Johannes20. Der Nachweis der Latinisierung solcher Familiennamen z.B. von PEERS zu PERSIUS konnte bislang nicht erbracht werden. Jedoch konnte die Latinisierung ähnlich lautender deutschstämmiger Namen hin zu PERSIUS an anderen Stellen nachgewiesen werden21.

Krafft-Aretin Eggert

Quellen

1 Ludwig Persius, Das Tagebuch des Architekten Friedrich Wilhelms IV.; herausgegeben von Eva Börsch Supan; Deutscher Kunstverlag;
2 KB St.Nikolai,14.07.1737; KB Nr. 1, Patronatsgemeinde Flechtingen, SA, 1619-1715, notiert am 09.11.1658.
3 UNI Helmstedt, Matricel; in dieser Generation gibt es weitere Matriceleintragungen zum FN PERSIUS, so am 10.04.1647, Christopherus Persius, dessen Familienzusammenhang anno 2014 unbekannt ist.
4 Pastor der Parochie Flechtingen 1616-1658, siehe KB Flechtingen.
5 Auf steinigem Grund, Flechtinger Chronik des Pastor Willing, Neuauflage 2011, Evangelische Kirchengemeinde Flechtingen, S. 64-65
6 siehe zuvor S. 65, im Jahr 1673, 1677, 1679, 1681, 1685 keine Trauung.
7 siehe zuvor S. 61.
8 siehe zuvor S. 65, die Beispiele lassen sich fortsetzen.
9 siehe zuvor S. 63.
10 siehe zuvor S. 63.
11 Grabstein des Johannes Persius ist eingemauert in die Friedhofsmauer, Mauerende an der Friedhofspforte, anno 2012 erhalten.
12 UNI-Matricel 1644 u. 1650 Helmstedt, UNI MAtricel Wittenberg 1649.
13 siehe Czubatynski, Pfarrbuch der Altmark.
14 siehe unter 5., S. 65
15 Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek; Sign. Xa 4° 1:32 (8); Alv. Nh 226 (5)
16 siehe unter 5., S. 66-67.
17 siehe unter 5., S. 67.
18 UNI-Matrikel Helmstedt.
19 Pfarrbuch der Altmark.
20 Helmstedt, St. Marienberg, Taufbuch.
21 Z.B. Persius, Hermann (Landwehrhagen) † 29.09.1694, Beruf 1675 - 1694 Pfarrer zu Staufenberg/Landwehrhagen (Pfarrerbuch das Fürstentum Calenberg-Göttingen); Johannes PETZIUS, Oebisfelde, † 18.11.1636 u.w..

letzte Änderung 17.03.2022 15:17 CET
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